Lügen entlarven

Jeder kennt den Spruch “Die Wahrheit schaut dir in die Augen” oder hat zumindest schon einmal gehört, dass einem ein Lügner nicht in die Augen sehen kann. Leider ist es aber nicht ganz so einfach. Ein unnatürlich langer Augenkontakt kann sogar ein Hinweis auf eine Lüge sein.

Es gibt viele Lügen! 50% davon sind wahr!

– Winston Churchill

Das Falsche ist oft die Wahrheit, die auf dem Kopf steht.

– Sigmund Freud

Klassische Hinweise auf eine Lüge

Wird die Hand ans Kinn, den Hals, den Mund oder die Nase geführt, kann dies ein Hinweis auf eine Lüge sein. Der Sprecher versucht die Worte, die seinen Mund verlassen, zu verdecken. Stirnrunzeln ist nach neueren Erkenntnissen ebenfalls ein möglicher Hinweis.
Hier muss man allerdings sehr vorsichtig sein – diese Gestiken können sehr schnell falsch verstanden werden!

Kalibrieren

Bevor man beginnt nach einer Lüge zu suchen muss die Zielperson zuerst “kalibriert” werden. Das heißt, dass man innerhalb eines normalen Gesprächs einige Fragen stellt um das normale Verhalten feststellen zu können (Baseline). JEDE Abweichung vom Normalen könnte eine Lüge darstellen.
Das Kalibrieren sollte allerdings nicht all zulange dauern, da sonst andere Faktoren zur Verhaltensänderung führen könnten (Müdigkeit, Harndrang, neue Einflüsse..)

Da man beim Lügen unter Stress steht, sollte man beim Kalibrieren auch Gestiken mit einbeziehen, die eine Stresssituation anzeigen. Hier beseht allerdings wieder die Gefahr, dass man ihnen zu viel Bedeutung zukommen lässt.
Bitte bedenken Sie auch, daß eine ungerechtfertigte Beschuldigung ebenfalls eine Verhaltensänderung und Stress hervor rufen kann.

Stress- bzw. Nervositäts- Gestiken

Achten Sie auf Änderungen innerhalb dieser Gestiken

Persönliche Gestiken

  • Die Nase oder Ohrläppchen anfassen, kratzen oder daran ziehen
  • Haare ziehen oder eindrehen
  • Lippen ablecken
  • Seufzen und Gähnen
  • reiben und ringen der Hände
  • Finger-trommeln…
  • nervöse Fußbewegung
  • Schweiß von Händen, Stirne oder dem Nacken wischen
  • Bein ausstrecken

Putz-Gestiken

  • Anordnen und begradigen der Kleidung und der Accessoires
  • Fussel beseitigen, Faden ausziehen..
  • Haare richten und begradigen
  • Nagel begutachten, beissen oder kauen

Schutz-Gesiken

  • Augen oder Mund mit der Hand verdecken
  • Verstecken der Hände oder der Beine
  • Beine- oder Arme kreuzen

Externe Gestiken

  • Rauchen
  • mit anderen Objekten spielen
  • in Geldtasche blicken

Die Fragestellung

Grundsätzlich sollte man Fragen stellen, die nicht mit Ja oder Nein zu beantworten sind. Das macht das Lügen viel zu einfach.
Wie bereits erwähnt, kann auch eine ungerechtfertigte direkte Anschuldigung eine Verhaltensänderung zur Folge haben. Es könnte schwierig sein, im richtigen Moment die richtigen Schlüsse zu ziehen. Viel besser als eine argwöhnische Frage ist eine interessierte. Oft wird ein Lügner durch scheinbares glauben der Lüge mutiger und verwegener. Meist ist es auch sehr klug einen Lügner ausreden zu lassen. Durch umformulieren bereits gestellter Fragen wird er ebenfalls ermutigt weiter zu Lügen und somit stößt er schnell an die Grenze der vorbereiteten Antworten. Versucht er hingegen das Thema recht eifrig zu wechseln ist das ebenfalls ein alarmierendes Zeichen.

Zeitlicher Ablauf

Erzählt jemand eine Lügengeschichte kann man eine Frage stellen, die den Zeitlichen Ablauf verändert. Sagt er beispielsweise „Nach der Arbeit bin ich gleich mit ein paar Kumpels in die Kneipe gegangen…..“. So kann man später fragen „Aber wo warst du denn bevor du in die Kneipe gegangen bist“. Jemand der das tatsächlich so erlebt hat, kann problemlos in seiner Geschichte vor und zurück springen – nur ein Lügner muss nachdenken und die Konstruktion überprüfen. Das benutzen der gleichen Formulierungen ist dann ein Anzeichen auf eine gut einstudierte Lüge.

Das Cocktailpartyphänomen

Im Stimmengewirr einer Party kann man sich bewusst auf eine Stimme fokussieren – wird der eigene Name genannt, zieht dies automatisch die Aufmerksamkeit auf sich.
Dieses Phänomen ermöglicht es ihnen jemanden beim Lügen zu ertappen ohne, dass sie ihn überhaupt beschuldigen – das ist für den privaten Einsatz sehr nützlich. Sie können Fragen stellen, die nur einen Lügner in Panik versetzt. Beispielsweise können Sie fragen „Hast du gehört, daß 100 Euro gestohlen wurden…?“ Es ist auch möglich noch allgemeiner zu formulieren, so dass die Aussage mit der eigentlichen, vermuteten Lüge augenscheinlich nichts zu tun hat: „Kaum zu glauben, dass der Ehemann von XY seine Frau hinter ihrem Rücken…“
Da wir gewöhnt sind, Dinge die mit uns etwas zu tun haben, auch tatsächlich auf uns zu beziehen, sollte der Unehrliche hier deutlich reagieren – der Ehrliche hingegen wird es ausschließlich als Konversation betrachten.
Aber Vorsicht – ein unschuldiger Mensch könnte ebenfalls starke Verhaltensänderungen aufweisen, wenn er vermutet, dass die Aussage in Wahrheit auf ihn bezogen ist.

Steigern von Stress

Durch das Steigern von Angst, Schuldgefühlen oder von Scham kann eine noch deutlichere Reaktion provoziert werden: „Wenn ich das erfahren würde, würde ich sofort….“.
Denken Sie aber daran, dass der Stress im privaten Umfeld nur unbemerkt angehoben werden sollte.

Folgende Situationen steigern den Druck auf natürliche Weise

  • isolieren von anderen Menschen
  • Tätigkeiten die beim beschuldigten Stress verursachen (Kochen, putzen, Autofahren …)
  • Die Stressreaktion wird sich zusätzlich auf die zweite Tätigkeit niederschlagen.
  • Steigern der Folgen beim Lügen und senken der Folgen bei der Wahrheit: „Also Lügen ist für mich viel schlimmer als wenn jemand….“
  • Schweigen und längere Pausen

Antworten

Das Ändern der Sprachmuster ist eine sehr ergiebige Quelle. Durch Stress oder durch Konstruieren der Antwort ändert sich das Verhalten. Beispielsweise lässt angestrengtes Überlegen den Lügner langsamer sprechen.

Bei Schilderungen eines Herganges

Eine Wortreiche und detailreiche Schilderung ist ebenfalls ein Anzeichen für die Wahrheit. Vor allem wenn Details inkludiert sind, die für den tatsächlichem Hergang keinerlei Relevanz haben. Ein Lügner versucht durch möglichst kurze, aber überlegt Sätze, das Problempotenzial zu mindern. Benutzt eine Person plötzlich Worte, die er sonst nicht benutzt, kommt das meist vom einstudieren einer Geschichte – oder eben vom langem Überlegen, was der andere nun hören will. Fazit: viel reden: Wahrheit / überlegtes Reden: Lüge

Wahre Rückmeldungen

  • direkte Antwort
  • beantwortet Fragen
  • allgemeines Bestreiten
  • benutzt beschreibende Sprache (zb. stehlen, klauen)
  • selbstsichere Antwort
  • spontane Antwort
  • wenig förmlich
  • personalisierte Sprache (“ich habe, wir haben”)
  • Wenige Gegenfragen

Zweifelhafte Rückmeldungen

  • ausweichende Antwort
  • beantwortet die Frage nicht (Umschreibungen)
  • spezifisches Bestreiten
  • vermeidet beschreibende Sprache
  • unterstützt die Glaubwürdigkeit einer Leugnung mit anderen Leugnungen
  • einstudierte, überlegte Antwort
  • förmliches Leugnen
  • Entpersonalisierte Sprache (“man würde.., niemand würde..”)
  • Selbst wenn die Frage unmissverständlich ist: Wiederholt Frage oder bittet um Wiederholung; Stellt Gegenfragen;

Achten Sie wieder auf Änderungen der Muster.

Sprachmuster

Wahre Rückmeldungen

  • beantwortet Fragen, mit der Konversation einhergehend, innerhalb einer halben Sekunde
  • ansteigende Geschwindigkeit und Lautstärke
  • keine Aussetzer / Lücken
  • normale Stimmhöhe

Zweifelhafte Rückmeldungen

  • verfrühte – oder verspätete Antworten
  • abnehmende Tonlage, Geschwindigkeit und Lautstärke
  • Aussetzer / Lücken
  • höhere Stimme

Augenbewegungen

Bandler und Grinder, Erfinder der NLP (Neurolinguistischen Programmierung), machten die Entdeckung, dass die Augenbewegungen Rückschlüsse auf die Art des momentanen Gedankens zulassen. Andere Studien kommen zwar nicht zu diesem Ergebnis – trotzdem hat man bei der Beobachten der Blickrichtung eine sehr gute Quelle für Abweichungen.

Die folgende Tabelle zeigt die Blickmuster nach Bandler und Grinder. Diese sollten sich angeblich bei den meisten Menschen decken. Durch einfaches plaudern kann man Erkenntnisse darüber gewinnen, ob die Versuchsperson tatsächlich diesem Muster entspricht. Weitere Details >

VORSICHT: Die Gedanken und damit die Augenbewegungen müssen nicht unmittelbar mit dem Gesprochenen zusammenhängen – es kann auch eine schwer nachvollziehbare Assoziationskette ausgelöst worden sein.

 

Rrichtung*MusterVorgangBeispiel
links obenvisuell konstruiertvorstellen von neuen Bildernstell Dir vor, wie es aussehen würde wenn…? (möglicher Hinweis auf eine Lüge)
rechts obenvisuell erinnertsich an Bilder erinnernwie sieht deine Mutter aus…? (da es ein Erinnern ist, ist es vermutlich die Wahrheit – die Zielperson versucht nicht etwas zu konstruieren – außer sie hatte Gelegenheit sich eine Geschichte zurecht zu legen…)
starrer Blick gerade ausvisuellkonstruierend oder erinnerndSchau, was du für wichtig hältst…
mitte linksAuditiv konstruierendKlänge oder Geräusche vorstellenWie würde es sich anhören, wenn….? (möglicher Hinweis auf eine Lüge)
mitte rechtsAuditiv erinnertsich Klänge oder Geräusche aus dem Gedächtnis abrufenWie hört sich Dein Handyklingeln an? (vermutlich die Wahrheit, da eine Erinnerung abgerufen wird)
unten linksAuditiv innerer DialogSelbstgesprächFrag Dich, was Du eigentlich willst!
unten rechtsKinästhetischGefühle, Emotionen, TastsinnAchte auf das Gewicht Deiner Füße..! Wie fühlt es sich wohl an wenn…

* Die Angaben sind vom Beobachter aus zu sehen.
* Das Einbeziehen der Blickrichtungen wird mittlerweile kritisch bzw. als veraltet betrachtet

Der Augenkontakt

Die meisten Menschen denken, dass wir Augenkontakt halten, wenn wir die Wahrheit sagen, diesen Kontakt abbrechen, wenn wir lügen. Das ist allerdings meist falsch. Viele Menschen halten Augenkontakt gerade wenn sie lügen. Da sie keine Erinnerungen aus dem Gedächtnis abrufen müssen besteht somit auch keine Notwendigkeit zur Augenbewegung – außerdem versuchen sie natürlich bewusst den Augenkontakt zu halten, da dies als Wahrheitsbeweis gilt.
Wenn mit einer Konfrontation nicht gerechnet wird und man eine persönliche Beziehung zum vermeidlichen Lügner hat, kann das Vermeiden des Augenkontaktes aber sehr wohl ein guter Hinweis auf eine Lüge sein.

Blinzeln
Ein Lügner muss sich seine Worte gut überlegen. Bei hoher Konzentration lässt das Blinzeln nach. Sobald die Lüge bzw der Grund für die Anspannung nachlässt muss er deswegen öfter blinzeln. Fazit: Direkt nach einer Lüge ist mit einem Anstieg des Blinzelns zu rechnen.

Verhalten

Da ein Lügner ständig Gefahr läuft, etwas falsches zu tun, vermeidet er meist Gestiken komplett. Dadurch kann der hölzern wie Pinocchio wirken. Die Gestik und Mimik beschränkt sich auf ein Minimum, die Pupillen sind erweitert und die Stimme wirkt angespannt.
Manche Lügner versuchen instinktiv dem Gespräch zu entfliehen und blicken deshalb Richtung Ausgang. Oft ist auch eine Fußspitze zur Tür gerichtet.
All dies kann aber auch der Fall sein, wenn sich die betroffene Person extrem unwohl fühlt – beispielsweise weil ihm das Gesprächsthema unangenehm ist oder er bedrängt wird. Also achten Sie einfach wieder auf Veränderungen, um dies auszuschließen.
Passionierte Lügner, die Spaß an der Täuschung haben, können auch das Gegenteil tun: ausfallende und übertriebene Gestiken.
Lügner achten jedoch ständig auf die Wirkung auf ihre Umwelt.

Gespielte Emotionen

Die Mimik besteht aus willkürlichen und unwillkürlichen Veränderungen im Gesicht. Möchte ein unehrlicher Mensch eine Emotion, wie etwa Entrüstung oder Enttäuschung, spielen, so unterscheidet sich in der Regel diese gewollte Mimik von einer unbeabsichtigten.

Echte Emotionen treten in der Regel vor dem gesprochenen Wort auf. So verzerrt man das Gesicht, bevor man energisch ruft: „Es reicht!“. Wird eine Emotion gespielt, so ist es ein häufiger Fehler, dass zuerst Worte kommen und dann erst Taten folgen.

Gespielte Emotionen sind auch meist asymmetrisch. Das bedeutet beispielsweise, dass sich beim Lächeln ein Mundwinkel weiter anhebt. Diese Asymmetrie verläuft aber nicht nur von links nach rechts, sondern vor allem auch von oben nach unten.
Beim ehrlichen Lächeln oder beim ehrlichen Wutausbruch si­nd auch die Augen und die Stirn betroffen. Eine asymmetrische Mimik wirkt daher unvollständig.
Ein symmetrischer Wutausbruch macht zwar noch lange keinen ehrlichen Menschen, aber eine asymmetrische Mimik ist ein recht sicheres Anzeigen für einen „Schauspieler“.
Achten Sie besonders auf die Echtheit des Lächelns (Augen). Ein falsches Lächeln wird oft eingesetzt, um andere Emotionen wie Angst oder Scham zu verbergen (=> Dauerlächeln)

Dauern Gesichtsausdrücke zu lange, kann dies ebenfalls ein Anzeichen für eine Unehrlichkeit sein. Echte Überraschung beispielsweise sollte nur wenige Sekunden dauern. Ein Schauspieler möchte aber, dass die Emotion wahrgenommen wird und somit zieht er sie oft unnatürlich in die Länge.

Micro-Expression

Selbst wenn das Gegenüber ein geübter Lügner ist, zeichnet sich die wahre Emotion für den Bruchteil einer Sekunde unwillkürlich im Gesicht ab, dies kann auch nur eine 10tel-Sekunde sein. Im Normalfall wird diese blitzartige Verzerrung nicht wahrgenommen.
Da diese Microexpressions aber jederzeit auftauchen, kann man das Erkennen auch in normalen Gesprächen oder bei Fernsehdiskussionen üben.

Zusammenfassung

Der Punkt ist nicht, dass dieses oder jenes Verhalten immer eine Lüge entlarvt. Das Geheimnis besteht darin, Leute so genau wie möglich zu beobachten und ihr normales Verhalten festzustellen – sich in die Menschen hineinzufühlen und Ihren Gedankengängen zu folgen.
Sehen Sie auf ihr Verhalten und achten Sie darauf, ob sie eine Veränderung erkennen können, dass die Regeln bricht – das ist dann die Lüge (dies muss nicht immer den oben genannten Regeln entsprechen).

Jetzt kennen Sie die Geheimnisse. Machen Sie Versuche mit Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten. Fordern Sie diese auf zu lügen und achten Sie auf jede Bewegung der Augen, Hände und der gesamten Körperstellung. Je öfter Sie das machen, je mehr Sie trainieren, desto besser werden Sie darin eine Lüge zu entlarven. Beobachten Sie auch Ihre eigenen Reaktionen..!

Johannes Seebacher

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